Reisebericht Weltreise: Neuseeland 2003

4. Dezember 2003, 14 Uhr 31 Neuseeländischer Zeit.

Ich stehe mit zusammengebundenen Füssen wie ein inhaftierter Verbrecher am Abgrund.

Vor mir die Freiheit in 134m tiefer gähnender Leere.

Ich werde nicht zögern.

Die Sonne scheint mir ins Gesicht.

Ein letzter Blick zurück über die Schulter, ein ängstliches Abschiedslächeln von Babsi, ich höre den Countdown: 5 – 4 – (hm? Wieso 5 – 4? Verwirrung…) 3 – 2 – (jetzt sind wir richtig!) 1  (keine Zeit zum Nachdenken, there is no way out) und los!!!

Ein kräftiger Absprung….

Der thrill Moment, der mir den Atem nimmt!

Ein Schrei.

Ganz unbewusst.

O Gott, ist das tief!!

Der Bauch krampft sich zusammen.

Das Hirn verkraftet es nicht, schaltet ab, noch in der ersten halben Sekunde.

Wind in Ohren und Gesicht.

Die Augen woollen nicht sehen, schließen sich.

Nein! Schreit eine gierige unerschrockene innere Stimme.

Augen wieder auf kraft dieses unmissverständlichen Befehls.

Diese Geschwindigkeit!

Aber schon ist Sekunde 3 angebrochen und die Adrenalinausschüttung längst vorbei. Bleibt die Gier danach, die ganze Welt in mich aufzusaugen, es sind ja noch 5 Sekunden Zeit!

Erde, komm näher!

Sauge mich in Deinen Abgrund!

Sekunde 5 einhalb, ich werde gebremst, enttäuschte Vorahnung…

einen Augenblick später und ich stehe beinahe still, der Fluss noch viel zu weit weg, Sekunde 8, wider der Erdanziehung schleicht sich ein kurzfristiges Achterbahngefühl in meinen Allerwertesten.

Verspätet der Glücksschrei: ein kräftiges WOOOOOHOOOOOO! Schrillt durch die Schlucht – und schon bin ich wieder 80m in der Luft, stürze ein weiteres Mal hinab, endlose Quieklaute aus meiner blutleeren Kehle. Glücksgefühl? Erleichterungsseufzer? Oder Forderung nach mehr-mehr-mehr? Ja, wohl eher das…

Bounce, bounce – ich ziehe die rote Leine – und frei sind meine Füsse, fallen vom Himmel… schnell die Gurte am Hintern gen Oberschenkel ziehen, damit es nicht in der Familienplanung zwiebelt und raufgezogen werde ich.

“Nochmal!!!”, schrei ich, bevor mich mein Sicherheits – und Thrill Instructor fragen kann, wie’s war. Keine Minute hat der Spaß gedauert, mein Gesicht sprüht, mein blick unstet, schreiend, verzerrt bleiche Grinsefratze, das Hirn immer noch total überfordert. Blut fließt langsam wieder rein…

Bungee Jumping in Queenstown

Willkommen zu einer neuen Ausgabe von Heikos lustigen Abenteuern in der großen kleinen Welt!

Jep, das soeben war er, mein erster Bungee-Jump, halb so wild und doch ein Klasseerlebnis! Babsi ist natürlich gleich hinterhergesprungen, mein mutiges kleines Adrenalin Junkee-Girl, hat sie doch schon über dem Franz–Josef –Gletscher (benannt nach dem österr. Kaiser) einen Fallschirmsprung mit 1A Aussicht u.a. auf den höchsten Berg Neuseelands, den Mount Cook (ca 3700m) genießen dürfen.

(Protest der Protagonistin an dieser Stelle: sie brauchte das alles gar nicht! Jaja… und ausserdem war ja alles gähn …langweilig…..)

Damit nicht genug der Extremsportaktivitäten: das Raftingabenteuer in der Buller Gorge inclusive unfreiwilligem Umkippen des Bootes bei einem gewollten Crash mit einem Uferfelsblock und daraus resultierendem “Badespaß” im eiskalten Nass hatte zweifelsohne sein bersonderes Thrillmoment, da hatte ich für ein paar Sekunden die Hosen voll und dachte, mich zerreissts am Felsen zu Fischmaulgerechten Häppchen. Aber nach dem Motto “no risk no fun!” haben wirs alle unverletzt überlebt. Viel mehr Sport ausser ein bisschen Kajaken in der Abel Tasman See und Wandern im gleichnamigen Nationalpark entlang der mit goldgelben Sandstränden gespickten Nordwestküste der Südinsel sowie einer Gletscherwanderung, Extreme Rugby Playing am Südzipfel der Insel neben unserem buseigenen Weihnachtsbaum und einem Haufen staunender Schafe, und extreme Kiwi Poolbillard (shots nur von einer zweiten Person herunter, z.B. auf ihr kniend…)

Unterwegs sind wir hier mit dem Straybus, in den man beliebig auf einer vorgegebenen Route ein- und aussteigen kann, um ein paar Tage hier oder dort zu verbringen (ähnlich dem bekannten Kiwi Experience oder Oz Experience in Australien – Eingeweihte wissen bescheid.).

Haben leider zu spät bemerkt, dass ein Mietwagen billiger gewesen sein dürfte für uns zwei (und natürlich noch mehr Flexibilität geboten hätte. Hätte hätte hätte…) Aber so hatten wir unterwegs dafür häufig lustige und nette Gesellschaft!

Insbesondere unser Partyleben, das bislang nicht existent war (hoffe, die Kölner steinigen mich nicht….) wurde auf diese Weise inspiriert, den 11.11. (Karnevalsbeginn, für alle, die es nicht wissen sollten…) haben wir mit einer Müllsack – Kostümparty quasi gebührend nachgefeiert. Babsi sah mit knappem schwarzen Müllsackminirock und – Bikini rattenscharf aus und wurde beim Kontest als “legally prostitute” nur von unserem crazy Japanese Chintoro geschlagen, der in seiner Riesenpampers als Sumoringer auftrat und den größten Lacher für sich verbuchen konnte. Dafür hat Babsi in schlangenfrauartiger Manier den Limbodance Titel souverän an sich gerissen.

Das Highlight dieser viereinhalb Wochen Neuseeland war allerdings Mutter Natur. Mit derSonne stets im Rücken haben wir die verschiedensten Landschaftsstriche erkundet, von den Farnwäldern am Rande der herrlichen menschenleeren Strände des Abel Tasman Nationalparks über die rauhe Westküste, an der sich weiße Sandstrände, schroffe Felsküste mit besonderen Felsformationen und Steinstrände gegenseitig die Klinke in die Hand drücken. Immer in Sichtweite: hunderte von imposanten Gletschern (das ist wegen der Nähe zum Meer und der Einbettung in tropische Wälder weltweit einmalig) und überall mächtige Baumriesen, teils 600 Jahre alt, bizarre in ihrem Aussehen, oft verkrüppelt, von sonderbarem Ungeziefer befallen, bemoost oder vom Wind den Berghängen angepasst. Zum Wandern oder Entspannen laden die vielen idyllischen kleinen Orte an den zahlreichen Gletscherseen ein und alles bei echt moderaten Temperaturen. Und jede Jahreszeit hat seine besonderen Reize, vor allem farblich, wie wir den Postkarten entnehmen konnten.

Milford Sound

Im Südwesten dann beginnt das Fjordland mit seinen leicht hügeligen saftig gräsernen Weiten (natürlich voller Schafe) und der Welt schönsten Wanderwege durch Beechforest zu den Fjorden hin (z.B. der Milford Trek, der leider einer Genehmigung bedarf und bis März nächsten Jahres ausgebucht ist…).

Der Milford Sound (Fjord zur Abel Tasman Sea hin) mit seinen zwei Gesichtern hat uns schwer beeindruckt. Hier wird der Regen bei weit über 200 Regentagen im Jahr nur in Metern (7- 9m im Jahr) berechnet. Also wenn es dort regent, dann aber so richtig, und so verbrachten wir bei unserer Minikreuzfahrt auf der “Friendship” nach kurzem Cruise in einem Sturm, der uns mit 100 Stundenkilometern den Regen um die Ohren peitschte und die steil aufragenden Felswände teils im Nebel und Weltuntergangsdunkel verschwinden liess, zumindest am Abend des ersten Tages im Hafen. Aus der Ferne bestaunten wir so die Wassermassen, die sich in Kaskaden und tausenden (!) teils massiven Wasserfällen die Felsen hinunterstürzten bzw. teils sogar vom Wind auf halbem Wege wieder hochgefegt wurden (verrückter Anblick!).

Ein bisschen frustriert waren wir schon, insbesondere schien sich an der Wetterlage nichts zu ändern, der Sturm wurde gar schlimmer, als wir (nach allerdings unschlagbarem Barbecue de luxe vom Schiffsköchin Karolyn) uns in unsere Kojen verzogen.

Doch am nächsten Morgen lichtete sich der Himmel kurz nach Sonnenaufgang tatsächlich und wir konnten unser Glück kaum fassen! Mit nun klarer Sicht und herrlich weichem Sonnenlicht eröffnete sich uns ein ganz neues Gesicht des Milford Sounds. Monströse steile Berghänge, teils gar Überhänge, zu deren Füßen einige Seehunde sich faul räkelten, schneebedeckte Gletscher, aus denen sich riesige Wasserströme ergossen, weiß strahlende Wasserfälle, die wie Kristallzucker aussehen, den jemand vom Himmel schüttet, ach, das muss man einfach selbst gesehen haben!

Als wir dann gegen 10 Uhr vormittag an Land gingen, waren wir rückblickend froh, das Unwetter am Vorabend erlebt zu haben, auch wenn das geplante Kajaken dadurch ausgefallen war. Naturgewalten zu beobachten ist wahrhaftig ein Abenteuer für sich.

Und weiter gings über den südlichsten Punkt der Südinsel und durch die Catlins, in denen sich die Schotten offensichtlich so heimisch fühlen. Unberührtes wildes Leben in grünen Buschlandschaften, Seelöwen, die faul am Strand gähnen oder im Wasser neben Delphinen spielend mit echt beängstigenden Heullauten rumbrüllen.

Delphine haben wir schon in Streichelnähe vom Wassertaxi im Abel Tasman NP bestaunen dürfen, sie waren dort jedoch leider nicht zu Spielen und zum Faxenmachen aufgelegt, ganz im Gegenteil zu den Jungs an der Südostküste, die jedoch aus der Entfernung nicht wirklich groß aufs Celluloid zu bannen waren. Pinguine scheinen mir wieder bloß eine Legende zu sein, hab jedenfalls keine gesehen. Dafür die verschiedensten Vogelarten. Ach ja, Kühe gibts hier auch ne Menge, in Barrytown in der Nähe eines einsamen Strandes war ich wohl so was wie das achte Weltwunder in der Welt der Kühe – jedenfalls blieb den plötzlich wie zu Salzsäulen erstarrten alten Wiederkäuern die Spucke weg bei meinem Anblick, da glotzten mich doch locker 70 Paar Kuhaugen fassungslos an!?! Ich konnte mich kaum halten vor Lachen, ist ein klasse Foto dabei entstanden…

Ja, diese kleinen Momente im Leben….

Grandios war auch unsere mehr oder weniger einzige Trampererfahrung auf dem Weg von Auckland nach Wellington mit Mike, einem LKW Fahrer im Urlaub, der vor uns schon Sara aufgegabelt hatte, die von ihrem Freund davongelaufen war. Er fuhr uns ca 70km runter nach Hamilton und entschied dann spontan, er würde uns gleich ganz runter nach Wellington fahren (was mal ganz locker an die 500 km weiter liegt), er hätte gerade Bock drauf. Mit der Aussicht, trampend in einem Tag diese Monsterstrecke zu bewältigen und einen Tag in Wellington zu verbringen, bevor unsere Fähre nach Picton auf die Südinsel ablegen sollte, scheuten wir uns auch nicht, ein wenig Benzingeld beizusteuern. Und so gings durch herrlich grüne hügelige Landschaften, die an Irland erinnern, am schönen Lake Taupo vorbei, wo Babsi endlich ihre erste Fish ‘n Chips Killerportion mampfen durfte, Mount Ruhapehu rechts liegenlassend und weiter der Sonne entgegen. Irgendwann dann hielt uns ein freundlicher Officer an und bat Mike um seinen Führerschein, weil er dann doch ein bissel flott unterwegs war. Da er den Führerschein aber nicht dabei hatte (so wie schon den Tag zuvor, als er ebenfalls erwischt wurde, wie er uns berichtete) lag es an mir, weiterzufahren, weil der Wagen sonst einkassiert worden wäre. Trampen und dann selbst fahren – ist doch auch nett, oder? Aber das beste war, dass die Zentrale während der Strafzettelausstellung durchfunkte, dass ein Irrer mit seiner Freundin und einer Pumpgun in der Hand den Motorway runterrennt. Mike hatte Glück – der Officer sprang in sein Auto und dampfte zügig ab. Später sahen wir ihn von einer Tankstelle aus mit zwei Insassen im Wagen…

Irgendwie machen auch diese kleinen Stories unseren Urlaub zu einem unvergesslichen Abenteuer. Und es gäbe da noch einige mehr zu erzählen… insbesondere die zuweilen witzigen Busfahrer (ein Dank an dieser Stelle an Chops und Spike) lieferten mit ihren Scherzen und Aktionen eine Komik, die bei uns vom Schmunzeln über herzhafte Lacher bis hin zu absoluten Brüllern führte.

It’s all good!

So, da ich gesagt bekommen habe, dass zu lange Berichte die geistige Aufnahmefähigkeit sprengen, erzähle ich auch gar nicht mehr, dass Christchurch michan Köln erinnert hat und richtig rockt, sondern ende hier und schwärme erst weiter, wenn ich ein bisschen Zweisamkeit über Weihnachten in einer Hängematte auf der Robinson Crusoe Insel in Fiji genossen habe

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